martina braun
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KINDERFREI GLÜCKLICH – ZUM POSITIVEN SCHICKSAL IN 4 SCHRITTEN

Ich laufe durch den Supermarkt und bemerke eine Mutter mit ihren zwei Jungs und ihr Umgang miteinander ist nicht gerade von der entspannten Sorte. Die Jungs aufgedreht und laut, mit dem Einkaufswagen durch die Gänge flitzend und sich gegenseitig ärgernd, die Mutter im Gegenzug sichtlich genervt, zischt der Bande unheilbeschwörende Kommandos zu und versucht sie durch Einschüchterung zur Raison zu bringen, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mein Versuch, der Truppe aus dem Weg zu gehen um nicht als neugierige Verfolgerin abgestempelt zu werden, scheitert kläglich. Ich will nicht hinschauen, es ist mir aber fast unmöglich, die Szene zu ignorieren und so streifen wir ungewollt zusammen durch die Gänge.

In solchen Momenten ertappe ich mich bei dem Gedanken, wie froh ich bin, keine Kinder zu haben. Unfair, ich weiss, denn ich hoffe das Leben dieser Mutter besteht auch aus schöneren Momenten als dem gerade im Supermarkt. Doch ich kann mir nur anhand ihres Gesichtsausdrucks und ihrer Haltung ausmalen, wie es Ihr gerade damit geht und kann mir erst recht nicht vorstellen, dass ich geduldiger und ausgeglichener wäre in dieser Situation.

Es breitet sich in mir ein Gefühl des Unbehagens und Unverständnisses aus, weil ich nicht verstehen kann, warum man sich so etwas freiwillig antun kann. Ich weiss nicht, warum sich heutzutage so viele Frauen immer noch auf diesen Weg einlassen. Warum wird das Lebensmodell „Familie mit Kindern“ in unserer Gesellschaft immer noch als Standard angesehen und von Frauen sogar erwartet, sich diskussionslos oder zumindest kompromissbereit für diesen Stress zu entscheiden?

Und genau hier ertappe ich mich beim Gedanken, wie einseitig und unfair meine Meinung ist. Es ist ein subjektiver Rundumschlag für alle Mütter und Väter, den ich mir sofort verbiete, weil man das ja nicht macht. Ich habe gelernt, die Institution der Familie mit all Ihren schönen, aber auch unschönen Seiten als unantastbar anzusehen und Toleranz in allen Belangen walten zu lassen. Doch erleben wir Kinderlosen genauso einen Rundumschlag nicht bei jeder Gelegenheit?

WERDEN DIE KINDERLOSEN AUCH VERSTANDEN?

Wie stehts um die Toleranz für uns, die kinderfreie Gegenseite? Später am Abend an diesem Tag beschäftigt mich der Gedanke, ob eigentlich uns kinderfreien Frauen und Paaren das gleiche Verständnis entgegengebracht wird. Bekommen wir die Akzeptanz oder zumindest das Verständnis, die von den Familien immer gefordert wird? Bei der Recherche zu diesem Artikel tauche ich in diverse Foren im Internet ein und - Holla die Waldfee – da will man sich nicht eine Minute zu lange damit beschäftigen. In Threads, in denen jemand sich traut, das Thema Kinderfreiheit anzusprechen, wird den Verfassern die volle Breitseite verpasst. Akzeptanz und Verständnis sind nicht zu finden, dafür meist ein regelrechter Shitstorm, der sich über die Verfasser ergiesst. Alle bekannten Vorurteile von Egoismus über Kaltherzigkeit, Einsamkeit im Alter und kein Verständnis für den Sinn des Lebens und jegliche Färbungen davon werden vorgebracht.

Dank der wachsenden Offenheit immer mehr Müttern, die nicht nur die Klischees der heilen Familienwelt in den Medien darzustellen, sondern auch über die anstrengenden Momente der Erziehungsarbeit und sogar Momente der Reue reden, wäre doch eigentlich zu hoffen, dass unsere Gesellschaft differenzierter mit diesem Thema umgeht. Differenzierter bedeutet an dieser Stelle nicht nur mehr Toleranz gegenüber ehrlichen Müttern, sondern auch mehr Akzeptanz gegenüber Frauen, die sich bewusst oder auch unbewusst gegen eine Mutterschaft entschieden haben.

Die gesellschaftliche Scheinheiligkeit an dieser Sache ist, dass trotz dem Bewusstsein aller Schwierigkeiten, Anstrengungen und Frustrationen als Mutter, diese stillschweigend als gegebenen Bestandteil dieses Deals abgenickt und heruntergespielt werden und dafür mit voller Kraft auf die Frauen gefeuert wird, die sich dazu entschieden haben, diesem Lebensmodell nicht zu folgen. Egal aus welchen Gründen!

Je nach Beweggrund für diese Entscheidung fällt das Feuer immerhin noch unterschiedlich stark aus. Liegt der Ursache der Kinderlosigkeit ein medizinischer Umstand zugrunde, kann man meist entgegengebrachtem Bedauern rechnen da ja die Absicht der Familiengründung vorhanden war, jedoch die Natur es nicht zulässt.

Schon viel weniger Verständnis bekommen die Frauen unter uns, die sich aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben und sich nach dem Erstellen einer detaillierten Pro- und Kontraliste dazu entschlossen haben, ihrer Karriere eine höhere Priorität einzuräumen. Also das Kinderkriegen sozusagen für die Karriere „geopfert“ haben. Und ja, der Ausdruck des Opfers in diesem Zusammenhang soll ausdrücken, dass wir Frauen etwas, was als Essenz unserer Bestimmung angesehen wird zugunsten einer weniger wertvollen Sache hingeben, auch wenn es nicht leichtfällt.

Und dann gibt es Frauen wie mich und ich bin überzeugt davon, dass ich nicht die Einzige bin. In mir schlummerte nie der innige Wunsch Kinder zu bekommen, doch auch keine grundlegende Ablehnung. Ich habe mich nie explizit mit dem Thema auseinandergesetzt, es hat sich wohl einfach ergeben, ein kinderfreies Leben zu führen.

Mein Leben hatte eine großartige Eigendynamik und verging in solch einem Tempo, dass das Thema Kinder es zwar immer wieder auf die Beziehungsagenda geschafft hat, jedoch nie an erheblicher Priorisierung gewann. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass es nicht auch Zeiten gab, in denen mich das Thema intensiver beschäftigt hätte als normal, doch unter dem Strich blieb es ein Thema unter vielen in meinem Leben. Bis heute habe ich mich nicht explizit gegen Kinder entschieden, sondern das Kinderkriegen einfach nie als etwas empfunden, was mich und meine Person ausmachen und was so wichtig wäre, dass ich mich unbedingt dafür oder dagegen entscheiden muss.

Doch diese Haltung wird in unserer Gesellschaft schwer verstanden. Man wird in die Schublade der „sozialen Querulanten“ gesteckt, aus der es fast unmöglich ist wieder herauszukommen. Dabei handelt es sich nicht nur um das subjektive Erleben Einzelner, es gibt auch Erkenntnisse aus der Sozialforschung dazu.   

GIBT’S DAZU WAS OFFIZIELLES?

Eine Studie der Dualen Hochschule in Gera zum Thema bewusste Kinderlosigkeit hat unter anderem gezeigt, dass gesellschaftliche Vorurteile gegenüber diesen Frauen immer noch sehr weit verbreitet sind. Da halten sich Überzeugungen, dass kinderfreie Frauen nur in wilden Beziehungen leben oder einfach gar nicht beziehungsfähig sind. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass 80 Prozent der absichtlich kinderlosen Frauen glückliche Beziehungen leben.

Zudem gibt es einen wichtigen gesellschaftlichen Aspekt:

Die kinderlose Frau reiht sich nicht in die gewohnte Gesellschaftsstruktur ein und erfüllt nicht die vorherrschende Erwartung in Bezug auf die ihr zugesprochenen Rolle. Damit bricht sie ein Tabu und macht sich unlesbar für unsere patriarchalischen Strukturen, was den Grossteil unserer Mitmenschen ziemlich verunsichern kann. Auch das Klischee der egoistischen Karrierefrau hält sich immer noch vehement, wobei hierbei grundsätzlich ignoriert wird, dass die Geburt eines Kindes für die Karriere einer Frau nur Nachteile mit sich bringt. Es gibt nur ein „Entweder“ mit vielen Abstrichen und faulen Kompromissen oder ein „Oder“ voller haltloser Vorurteile.

WARUM KRÄNKT UNS DAS SO?

Ich traue mich zu sagen, dass ich mein Leben ohne Kinder geniesse. Die finanzielle Freiheit, die Freiheit nur für mich verantwortlich zu sein und meine Zeit frei einteilen zu können. So weit so gut, wenn da nicht das Umfeld wäre. Und mit Umfeld meine ich nicht nur die engere Familie, die mit Vorliebe an gemeinsamen Festivitäten regelmässig die Kinder-Frage wie eine Bombe ins Buffet fallen lässt. Nein, ich meine damit auch beliebige Menschen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, die sich plötzlich und vor allem ungefragt mit mir und meiner Familienplanung auseinandersetzten.

Tja und an diesem Punkt kann man sich dann entscheiden entweder alle Geschütze aufzufahren und seine Position ausführlich und mit Nachdruck zu erklären oder man versucht seine Antwort knapp zu halten und schnellstmöglich das Thema zu wechseln. Ich bin regelmässig in beide Fallen getappt, hab mich wortreich verteidigt oder aber mich mit einer ausweichenden Antwort aus der Affäre gezogen. Doch egal wie, jedes Mal blieb eine innere Verletztheit und das Gefühl, weniger normal zu sein als andere.

Ganz zu schweigen davon, dass man das sich in vielen Situationen vorkommt wie ein Alien weil man z.B. die Einzige in einer Runde von Freundinnen zu sein scheint, die nicht das Bedürfnis hat das Neugeborene der Freundin unbedingt endlos im Arm halten zu dürfen.  Man fühlt sich falsch, unverstanden, angegriffen und von oben herab behandelt. Wir suchen nach einem Signal von aussen, dass wir wahrgenommen und akzeptiert werden. Soziale Kontakte sind ein Grundbedürfnis von uns Menschen und das Gefühl der Zugehörigkeit entsteht dann, wenn wir positive Signale aus einer Gruppe wahrnehmen. Wir brauchen den Eindruck von gemeinsamen Zielen, das Gefühl, dass uns etwas verbindet. Das wird uns in solchen Situationen oft verwehrt.

Wir haben alle Angst davor, nicht zur Gemeinschaft dazu zu gehören. Das macht uns am meisten zu schaffen. Es gibt nichts Schlimmeres als ausgeschlossen zu werden, was noch zu Zeiten der Neandertaler den sicheren Tod bedeutet hat. Wer allein ist, hat keine Chancen gegen den Säbelzahntiger. Heute zieht das mit dem Säbelzahntiger nicht mehr, heute bedeutet es gesellschaftliche Ächtung, was von uns ähnlich schlimm wahrgenommen wie der Tod.

Das Ganze macht ein kinderfreies Leben noch schwerer, da es sich hier um die Entscheidung gegen eine globale Rollenzuteilung handelt; eine Rolle, die vor langer Zeit entstanden ist und erst langsam neu definiert wird.

WIE REAGIEREN WIR KINDERFREIEN AUF DIESE AUSGRENZUNG?

Der wichtigste Punkt direkt zuerst: der Plan, alle anderen ändern zu wollen und Verständnis mit Schild und Schwert zu erkämpfen funktioniert nicht. Glaubt mir, ich hab‘s versucht. Dafür wird aber folgender Plan helfen:

Schritt 1 – Erkenne deinen Status Quo

Nichts macht dich unsicherer in Gedanken und Worten als selbst nicht zu wissen, wo du stehst. Finde heraus, was dir wichtig ist und was du für Wünsche und Ziele hast. Das macht es dir einfacher deinen Standpunkt verständlich zu machen. Sei dabei ehrlich zu dir selbst und sei neugierig auf das Ergebnis. Vielleicht überrascht dich auch, was dabei herauskommt und du musst dich erst einmal damit auseinandersetzen. Alles gut, denn alles ist erlaubt! Du hast das Recht darauf hast, Tabus zu brechen! Und unterschätze nicht, dass eine Erkenntnis auch sein kann, dass du eben noch keine Entscheidung getroffen hast.

Schritt 2 – Finde was dich reizt

Überleg dir welche Aspekte oder Aussagen in Bezug auf deine Kinderfreiheit dich besonders reizen. Es geht darum herauszufinden was und wer dich bei diesem Thema geprägt hat und welche Denkmuster dabei bei dir aktiv sind. Ziel ist es, dich selbst besser kennenzulernen und einen guten Umgang mit dem zu finden, was dich bewegt.

Schritt 3 – Bereite dich vor

Wenn du überzeugt bist, überzeugst du auch die anderen. Umso wichtiger ist deine Arbeit aus den vorherigen Schritten, denn wenn du weisst wo du stehst, kannst du dich auch souverän positionieren. Es macht Sinn, dir für die nächste Diskussion über deine Kinderlosigkeit ein paar Antworten zurecht zu legen. Somit vermeidest du, dass dich der Ärger über den Fragesteller übermannt und du patzige Antworten gibst. Das verstärkt meist nur den Eindruck der zickigen Emanze, die das mit den Kindern aus Prinzip ablehnt.

Schritt 4 – Suche Gleichgesinnte

Such dir Menschen, die auch Kinderfrei leben. Es gibt Andere mit den gleichen Themen und Ansichten und du bist nicht alleine. Tausch dich mit den Menschen aus, profitiere von Ihren Taktiken und gib auch deine weiter.

Das Gefühl der Ausgrenzung kreieren wir uns selbst, und zwar durch das, was wir Denken und als Folge daraus Fühlen. Ergründe deine Gedanken und Gefühle, dann kannst du dich bewusst für neue Gedanken entschieden.

Lass dich bei dem Thema begleiten. Es ist nicht einfach, sich bei solch einem kontroversen Thema wie die Kinderfreiheit vorurteilsfrei selbst zu reflektieren und vor allem, zu lernen neue Gedanken zu denken und diese auch dauerhaft beizubehalten.

Wie sind deine Erfahrungen mit deiner Kinderfreiheit? Hast du Fragen oder Anmerkungen? Dann schreib mir deine Geschichte in den Kommentaren oder per Mail unter kontakt@martinabraun.ch

Ich freu mich auf dich!

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