Ich hadere regelmässig mit meinem Selbstbild im Alter:
Jeden Donnerstag Abend ist es soweit. Ich schmeisse mich in meine bunten Leggings und die goldenen Turnschuhe und mache mich beschwingt auf den Weg zu meiner Zumba-Stunde.
Ich liebe das Tanzen, ich liebe Latino-Musik und da ich noch ein gewisses Bewegungstalent habe fällt es mir auch nie schwer, neue Tanzschritte und Kombinationen schnell zu lernen.
Und eben weil ich das mit der Technik ziemlich fix drauf hab, kann ich mich dann auch ausgiebig um meine Sexiness bei den Bewegungen kümmern und meine eigene Interpretation der Choreo ausbauen.
Nicht so wie manch andere Teilnehmer*innen, die sich auf Anhieb als Bewegungslegastheniker*innen zu erkennen geben und mich total irre machen, wenn sie genau neben mir ihre Anti-Talente auspacken.
Das bringt mich so durcheinander, dass auch ich plötzlich über meine eigenen Füsse stolpere.
Dabei würd ich echt gerne an meinem Hüftschwung arbeiten...ist ja nicht so, dass ich die Choreo nicht könnte...
Irgendwie war das auch früher schon immer so.
Als ich vor ein paar Jahren mit meinem Partner einen Tanzkurs besucht habe, hatte ich auch nie Probleme mir all die verschiedenen Figuren zu merken und auch immer korrekt zu tanzen.
Leider hatte mein Partner etwas mehr Mühe sich alle Schritte und die Reihenfolge zu merken.
Aus diesem Grund konnte ich mich auch nicht so um meine Performance kümmern und wir machten auf dem Parkett auch nicht gerade einen harmonischen Eindruck.
Wir haben das dann auch irgendwann aufgegeben, dabei war ich so gut.
Aber ich schweife ab - zurück zur Zumba-Stunde!
Und damit auch genug mit der Selbstbeweihräucherung!
Mein beschwingtes Gefühl und die Überzeugung, mein Hüftschwung kann ernsthaft mit dem von Jennifer Lopez konkurrieren, halten nämlich genau so lange an, bis ich im Tanzsaal stehe und die Musik anfängt.
Dank einer unvorteilhaften Spiegelwand in diesem Tanzsaal stehe ich nämlich plötzlich mir selber gegenüber - in meiner bunten Leggings und den goldenen Turnschuhen.
Gezwungenermassen schau ich mir also jetzt selber beim tanzen zu und bin maximal irritiert, weil meine Vorstellung von mir und meinem Können nicht wirklich mit dem zusammen passt, was ich da im Spiegel sehe.
Mein reales Ich und mein Selbstbild sind in diesem Moment anscheinend zwei verschiedene Personen, bzw. ich jetzt und ich vor 20 Jahren.
Tschüss Sexiness und Hüftschwung - Hallo Bewegungslegasthenikerin!
Es kommt mir so vor, als gäbe es zwei unterschiedliche Versionen von mir: die, die ich bin und die, die ich gerne wäre.
Diese Feststellung begegnet mir in letzter Zeit nicht nur beim Zumba, sondern auch in anderen Lebensbereichen und ich habe dabei das Gefühl, ich kenne mich selber nicht mehr.
Ist dir das auch schon passiert? Kennst du diese Abweichung?
Na dann ist es höchste Zeit sich Gedanken zu machen, woher dieses bisherige Selbstbild, also die Version von dir aus deiner Vorstellung, eigentlich herkommt.
Und vor allem, wie du dein "So sehe ich mich"-Ich mit deinem "So bin ich wirklich-Ich" deckungsgleich bekommst.
Der Begriff Selbstbild beschreibt per se nicht mehr als die Vorstellung, die du von dir selbst hast.
Das ist erst mal weder gut noch schlecht und vor allem wandlungsfähig. Es kann nämlich jederzeit von dir angepasst werden!
Es ist auch erst einmal ziemlich subjektiv, da du dir das Bild ganz alleine in einem Kopf aufbaust. Ohne Einfluss oder Abgleich mit der Aussenwelt.
Du kannst dir vielleicht vorstellen, dass das unter diesen Umständen kein repräsentatives Ergebnis hervorbringen kann. Richtig, dieses Selbstbild ist nicht unbedingt korrekt und wahr - es beinhaltet viel Wunschdenken. Wie eben bei meinen Tanzkünsten vom Anfang.
Dein Selbstbild entsteht in der Kindheit und ist erst einmal geprägt von deinem Umfeld, also primär von Familie und Freunden. Sie vermitteln dir durch Rückmeldungen und Spiegelungen ein gewissen Bild von deiner Person, welches du zu dieser Zeit ungefragt annimmst und so eine Gefühl für dich selbst entwickelst.
Heutzutage haben auch die sozialen Medien einen erheblichen Anteil am "So sehe ich mich"-Ich -wer hätte es gedacht!
Dein Selbstbild ist eine Kombination aus bewussten und unbewussten Anteilen und wenn wir dieses Selbstbild nicht ab und an hinterfragen, haben wir grossflächige blinde Flecken bei dieser Wahrnehmung.
Wie du dich siehst, sagt viel darüber aus, was du dir zutraust, wie du dich einstufst und an was du vielleicht unnötigerweise festhältst.
Am Schluss hat es damit zu tun, wie gut du dich kennst - bzw. kennen möchtest.
Wird dein Selbstbild im Alter nicht automatisch realistischer?
Ganz und Gar nicht.
Du bist in deiner Lebensmitte so sehr mit dem Leben selbst beschäftigt, dass dir die bestehende Diskrepanz zwischen unserem Selbstbild und der Realität kaum auffällt.
Doch diesen blinden Fleck schleppst du unbewusst mit ins Alter und macht die das Leben schwer, weil du deine eigenen Erwartungen irgendwann nicht mehr erfüllen kannst.
Oder der Umgang mit den Menschen aus deinem Umfeld verbittert dich, weil sie dich nicht genau so wahrnehmen wie du dich in deiner Vorstellung siehst.
Dein Selbstbild altert also nicht automatisch gleichschnell wie du. Manchmal hängt das "So sehe ich mich - Ich" locker für Jahre in den 30ern fest und verpasst den Anschluss an die Entwicklung des "So bin ich wirklich - Ichs".
Es kommt sehr darauf an, wieviel Raum du der Realität in deinem Leben gibst.
Auch das viel diskutierte Thema Authentizität kommt hier auch ins Spiel.
Es stellt sich die Frage, wie echt du dich in deinem Leben fühlst und auch benimmst. Und wie authentisch dich dein Umfeld erlebt. Kennst du dein wirkliches Ich oder versteckst du es seit geraumer Zeit hinter deinem "So sehe ich mich - Ich"? Das Motto "Fake it till you Make it" hat an vielen Stellen seine Berechtigung, doch an dieser Stelle kann dich das ganz schön in die Bredoullie bringen.
Wird dein Handeln von äusseren Faktoren bestimmt oder wird es von anderen Personen mitentschieden?
Das mit der Realität und auch der Authentizität wird im Alter immer mehr zur Herausforderung, weil Älter werden in unserer Gesellschaft keinen guten Ruf hat. Älter werden wird gerne kaschiert - es soll keiner merken, dass man nicht mehr so kann wie mit 30 oder 40 und meist wollen es die Menschen selbst nicht merken.
Versteh mich an dieser Stelle nicht falsch. Das hier ist kein Plädoyer gegen Träume, Phantasien und Wünsche - ganz im Gegenteil. Es wird erst dann dazu, wenn die verschobene Wahrnehmung vom "So sehe ich mich - Ich" und dem "So bin ich wirklich - Ich" dein Wohlbefinden beeinträchtigt und dir im Alter die Lebensfreude nimmt.
Darum macht es Sinn von zeit zu Zeit Sinn, diese Ansichten zu überprüfen und mit den aktuellen Lebensumständen abzugleichen.
Im Verlauf deines Lebens haben sich deine Lebensumstände schon einige Male geändert und du hast dein Selbstbild auch schon mehrmals bewusst oder unbewusst angepasst.
Oder siehst du dich immer noch als die gleiche ehrgeizige Person, die du mit 20 warst? Oder hast du immer noch das Gefühl dich kann nichts auf der Welt erschüttern und du kannst mit jeder Situation souverän umgehen, so wie mit 30?
Nein? Glückwunsch! Denn das bedeutet, du hast schon einmal dein "So bin ich wirklich - Ich" an dein "So sehe ich mich - Ich" angepasst.
Du kannst das also nochmal...und nochmal...und nochmal....
Und das kannst auch nur du! Kein Anderer kann dir diesen Job abnehmen.
Was du dafür bekommst?
Freiheit und neue Möglichkeiten.
Denn spätestens im Alter musst du nichts mehr.
Du musst nicht mehr in Kleidergrösse 36 passen, du musst dich nicht mehr für deine Kinder verantwortlich fühlen und du musst dich nicht mehr für irgendjemanden verbiegen.
Nichts beschränkt mehr, als das Festhalten an falschen und veralteten Vorstellungen.
Also los, auf zur neuen Freiheit!
Mit den folgenden 5 Schritten kannst du es schaffen und den Altersunterschied zwischen deinem "So sehe ich mich - Ich" und deinem "So bin ich wirklich - Ich" verkleinern.
Setz dich hin und schreibe auf, welche Vorstellung du von dir hast:
Wie siehst du dich in deiner Rolle im Familienkonstrukt, im Job und in deinen Beziehungen?
Welche Talente hat dein "So sehe ich mich - Ich"?
Und gleichzeitig beobachtest du dich in unterschiedlichen realen Situationen.
Was denkst du, was fühlst du und wie reagierst du wirklich?
Dieser Schritt mag vielleicht nicht nicht sehr angenehm sein, denn meist merkt du bereits beim Aufschreiben der einzelnen Punkte, dass das IST hier nicht mit dem SOLL übereinstimmt.
Doch er ist notwendig und die Basis für alles weitere.
Beleuchte deine blinden Flecken und hinterfrage ganz genau die Entstehung deines "So sehe ich mich - Ichs".
Ist die Vorstellung deines "So bin ich wirklich - Ich" wahr?
Woher kommt dein "So sehe ich mich - Ich"?
Wem bringt es etwas, wenn du an deinem "So sehe ich mich - Ich" festhältst?
Vor was beschützt dich dein "So sehe ich mich - Ich"?
Kannst du an den beiden Versionen etwas ändern?
Hol dir die Rückmeldungen aus deinem Umfeld.
Frag die Menschen um dich herum wie sie dich in deinen verschiedenen Rollen erleben.
Umso mehr Menschen du frägst, umso vielfältiger wird der Strauss an äusseren Eindrücken und gibt dir eine genauere Idee, wer du bist.
Das schwierige an diesem Schritt ist auszuhalten, was dir die Anderen rückmelden. Denn das stimmt eventuell nicht immer mit deinen Vorstellungen überein und kann dich im ersten Moment irritieren oder enttäuschen und verletzen.
Doch es wird deinen Blick auf dich selbst schärfen, dir mehr Klarheit verschaffen und die Möglichkeit auf Veränderung erleichtern.
Weisst du wirklich, wer du sein möchtest?
Möchtest du wirklich all das sein, was in deiner Vorstellung von dir wohnt?
Oder handelt es sich dabei eher um Überbleibsel aus einem vergangenen Lebensabschnitt, welche jetzt keine Gültigkeit mehr haben?
Vielleicht bist du ja inzwischen sogar zufrieden mit deinem momentanen realen "So bin ich wirklich - Ich".
Dieser Schritt erfordert Ehrlichkeit dir selber gegenüber, denn was auch immer das Ergebnis aus diesem Schritt ist, du solltest etwas damit tun.
Und auch das Loslassen von alten Vorstellungen ist ein Prozess und wird nicht von heute auf Morgen erledigt sein.
Und zum Schluss die Kür - der Transfer deiner Vorstellung in die Realität.
Wenn du dich dazu entschieden hast, deinem aktuellen Selbstbild etwas näher zu kommen, dann vermeide, dass dein Entschluss als ein "NATO"-Ereignis endet...also als "No Action Talk Only"!
Es macht keinen Sinn, dir jetzt eine neue Version von dir nur auszudenken.
Du musst ins Handeln kommen.
Wenn du also einen Aspekt von deinem "So sehe ich mich - Ich" in dein reales "So bin ich wirklich - Ich" transportieren willst, dann überlege dir, was es dazu benötigt.
Such dir am Besten ein kleines Ziel, einen kleinen Wunsch und arbeite daran. Es geht um konkrete Verhaltensweisen, die du dir einrichten darfst.
Siehst du dein zukünftiges Ich z.B. als schlagfertigen Menschen? Dann überleg dir in welchen Situationen du gerne schlagfertiger wärst. Was würdest du sagen? Wie würdest du dich fühlen? Woran würdest du merken, dass du schlagfertiger bist als vorher? Gäbe es Reaktionen deines Umfelds?
Halte dir das immer wieder vor Augen und verbessere deine Kommunikation. Hier heisst es übern, üben, üben.
Und sobald du bei diesem Thema mit dir zufrieden bist, darfst du dich dem nächsten Bereich widmen.
Ein Schritt nach dem anderen!
Dich regelmässig mit deinem Selbstbild zu beschäftigen kann dir zu einer grossen Freiheit verhelfen.
Vor allem im Alter!
Allzu oft schleppen wir alte Ansprüche, Wünsche und Vorstellungen an uns selbst mit uns herum, so dass wir uns selbst unglücklich und manchmal auch ein bisschen lächerlich machen.
Das alte Selbstbild passt manchmal nicht mehr zu uns - es ist nicht mit uns erwachsen geworden.
Doch du hast alle Möglichkeiten der Welt, dich zu verändern.
Und im Alter hast du auch alles Recht dazu, die Person zu sein, die du möchtest.
Am Schluss sei noch gesagt, dass es gerne eine kleine Diskrepanz zwischen dem "So wäre ich gerne - Ich" und dem "So bin ich wirklich - Ich" geben darf.
Du musst dich nicht immer komplett realistisch wahrnehmen, ein bisschen Feenstaub darf die ganze Sache manchmal auch angenehm machen.
Problematisch wird es erst dann, wenn der Unterschied zwischen deinem Selbstbild und der Realität dich traurig macht oder sogar einschränkt.
Schreib mir gerne ob du dein "So wäre ich gerne - Ich " schon identifiziert hast und wie gross die Lücke zu deinem "So bin ich wirklich - Ich" ist.
Ich freue mich auch, dich auf deiner Reise zu unterstützen und die Lücke zwischen deinen beiden Ichs zu verkleinern.
Schreib mir einfach - trau dich!
Deine MidLife und GoldenAge Coachin
Martina
PS: folge mir gern auf Instagram: @martinabraun_official